Datenschutz in der Fotografie und andere Einschränkungen
„Erst kommt das Foto, dann die Moral.“
Der deutsche Fotograf Robert Lebeck (1929-2014) hat diese Aussage getroffen. Lebeck gehörte zu den bekanntesten Nachkriegsfotografen. Er arbeitete u. a. viele Jahre für die Zeitschriften „Revue“ und „Stern“, für kurze Zeit war er Chefredakteur des Magazins „Geo“.
In seinem Buch „Neugierig auf Welt“ schreibt Lebeck:
„Es muss etwa zu dieser Zeit gewesen sein, dass in der Heidelberger Heiliggeistkirche unter großer Anteilnahme der Bevölkerung der Dirigent Wilhelm Furtwängler beerdigt wurde. Während ich in der Krypta auf die Erlaubnis zum Fotografieren wartete, fiel mir auf, dass der Pastor von der Kanzel einen wunderbaren Blick auf die Trauergemeinde haben musste - einen Blickwinkel, wie ich ihn für mein Foto gut gebrauchen konnte. Kaum hatte der Geistliche seine Predigt beendet, stürme ich auf die Kanzel. Und knipste los.“
Robert Lebeck erzählt, das die Ergebnisse seines „dreisten Bildersturms“ im Heidelberger Tageblatt veröffentlicht wurden. Die Witwe des Verstorbenen bestellte daraufhin 100 Abzüge im Postkartenformat. Er beschließt diese Geschichte mit dem Satz: „Und ich lernte: Erst kommt das Foto, dann die Moral“.
Die Arbeit eines Fotoreporters erfordert sicher ein großzügiges Umgehen mit Moral und Gesetzen. Wer sich stur an die Regeln hält, wird Sensations-Schnappschüsse skrupelloseren Fotografen überlassen müssen.
Wo setzt du deine Grenzen?
Ich bin kein Fotoreporter. Als ich Lebecks Zitat das erste Mal las, war ich empört. Aber seine Worte haben mich auch nachdenklich werden lassen. Wo setze ich meine Grenzen?
Ich lege dir sehr ans Herz, dir darüber Gedanken zu machen. Von der Klarheit, die dir solche Überlegungen bringen, kann deine fotografische Arbeit nur profitieren. Du kannst Fotos von Straßenszenen noch so toll finden: Wenn du Skrupel hast, fremde Menschen ungefragt abzulichten, solltest du die Streetphotography besser anderen überlassen (oder deine Skrupel ablegen).
Einschränkungen durch den Datenschutz
Die Datenschutzverordnung macht es Fotografen nicht gerade einfach. Die Liste der Regeln und Erläuterungen ist lang. Die gute Nachricht: Fotografiert man ausschließlich zu familiären oder persönlichen Zwecken, greift die DSGVO nicht. Es gilt dann das sog. „Haushaltsprivileg“. Allerdings sind die Grenzen eng gesetzt. Werden die Bilder im Netz veröffentlicht oder gar verkauft, ist es vorbei mit dem „Haushaltsprivileg“.
Oft sind es aber gar nicht die Gesetze, die einen vom Fotografieren fremder Menschen abhalten. Es ist eher die eigene Hemmschwelle, ungefragt fremde Menschen abzulichten. Mehr dazu habe ich in dem Beitrag „Streetfotografie: die Hemmschwelle ist riesig“ geschrieben.
Bei Fotos von Gebäuden und öffentlichen Kunstwerken gilt die sogenannte „Panoramafreiheit“, die zwar das Fotografieren und Veröffentlichen von Fotos gestattet, aber einige Ausnahmen auflistet. So braucht man beispielsweise für Innenaufnahmen die Einwilligung des Eigentümers. Dies gilt übrigens auch dann, wenn man Innenräume von außen durch ein Fenster fotografiert. Manche Gebäude sind markenrechtlich geschützt, wie z. B. die Allianz Arena in München. Auch Gebäude mit einem Logo oder einem Firmenschild können nicht bedenkenlos fotografiert und veröffentlicht werden.
Wo ziehst du Grenzen?
Hältst du dich genau an die Regeln, übertrittst du sie ab und zu oder lassen dich gesetzliche Einschränkungen kalt?
- Fällt es dir schwer, fremde Menschen zu fotografieren?
- Achtest du auf das Hausrecht wenn dich z. B. ein verlassenes Gebäude magisch anzieht? Die Tür steht offen, du bräuchtest nur einzutreten. „Lost places“ sind reizvolle Motive. Da muss man dich die Kamera zücken, oder? Vielleicht sieht oder hörte es ja keiner, wenn du auf leisen Sohlen durchs Haus schleichst. Wie würdest du dich ein einer solchen Situation entscheiden?
Fotografieren bedeutet für mich, jedes Motiv zu hinterfragen: Kann ich es bedenkenlos fotografieren oder bewege ich mich damit in einer legalen oder moralischen Grauzone? Verletze ich Persönlichkeitsrechte anderer? Wie gehe ich sensibel mit der Situation um? Das letze, was ich möchte, sind voyeuristische Bilder.
Manchmal bin ich echt froh, dass ich abstrakte Fotos liebe.
Persönliche Einschränkungen
Gesetze und Moral sind eine Sache. Persönliche Einschränkungen eine andere.
Einer meiner Fotokollegen macht atemberaubende Tierfotos. Da er ein Faible für die Bergwelt hat, klettert er zu nachtschlafender Zeit auf hohe Gipfel und legt sich auf die Lauer. Wenn es sein muss stundenlang.
Solche Fotos könnte ich nie machen, denn
1. habe ich nicht die Kondition für Bergexpeditionen und
2. habe ich nicht die Geduld, stundenlang vor einem Mauseloch zu liegen, bis sich die Maus bequemt, die Nase aus dem Loch zu stecken.
Ich gehe auch nicht bei Neumond um Mitternacht in den Wald und experimentiere, ob Fotografieren zu solchen Lichtbedingungen überhaupt noch möglich ist (wenngleich ich solche Experimente zutiefst bewundere).
Auch scheue ich große Menschenansammlungen. Stadien oder Großevents bieten zwar eine Fülle von Motiven - aber leider müssen diese von anderen abgelichtet werden. Mir ist der Rummel zu groß.
Welche persönlichen Einschränkungen hast du?
Schreibe sie alle auf. ALLE. Und jedes kleinste Detail, das dir dazu einfällt.
Wenn du damit fertig bist, schau dir an, welche Möglichkeiten übrig bleiben. Mit diesen Überlegungen erstellst du dir quasi einen Fahrplan für deinen fotografischen Weg. So kommst du entspannter zum Ziel.