David Ulrich: Bewusster fotografieren
Es gibt Bücher, die nehme ich immer wieder zur Hand. Fotobände und Werke über Fotokunst gehören ohnehin dazu, aber auch einige Lehrbücher zur Fotografie haben ihren festen Platz in meinem Regal. Diese Bücher möchte ich nicht missen, denn in ihnen finde ich stets neue Inspirationen und Impulse.
Eines davon ist ZEN. Der Weg des Fotografen von David Ulrich, das bereits 2019 im dpunkt-Verlag erschien. Obwohl es kein klassisches Lehrbuch ist, hat es mir über die Jahre wertvolle Perspektiven eröffnet. Umso gespannter war ich, als ich erfuhr, dass der Verlag 2023 ein weiteres Buch von Ulrich veröffentlicht hat:
Bewusster fotografieren
Ein Wegweiser zur Achtsamkeit, Kreativität und persönlichem Ausdruck

Da ich alle Bücher, die ich in meinem foto.blog vorstelle, intensiv lese und durcharbeite, hat die Buchbesprechung etwas gedauert. Ein solches Buch verdient es, mit Ruhe und Bedacht betrachtet zu werden, es ist zeitlos, und sollte wahrlich nicht nach Erscheinungsdatum ausgewählt werden.
Schon Titel und Untertitel sprechen mir aus der Seele. In meinen Fotokursen lege ich großen Wert darauf, dass eine Aufnahme bewusst und achtsam gestaltet wird. Photoshop kann vieles korrigieren, doch der Kern eines gelungenen Bildes entsteht bei der Aufnahme. Nur wer bewusst fotografiert, hat die Chance, über die Zeit hinweg seinen eigenen Stil zu entwickeln.
Wie ZEN. Der Weg des Fotografen ist auch Bewusster fotografieren kein Lehrbuch im klassischen Sinn. Technische Anleitungen oder Schritt-für-Schritt-Tipps sucht man darin ebenso vergeblich wie Tipps für kreative Fotoexperimente. Doch das Buch ist viel mehr: eine Einladung, tiefer in die Fotografie einzutauchen - als Ausdrucksmittel, als Kunstform und für die persönliche Praxis.
In 55 Essays reflektiert David Ulrich das Wesen der Fotografie und bietet unzählige Anregungen für die eigene Arbeit. Bereits in der Einleitung macht er deutlich:
Dieses Buch ist eine Meditation über die vielen Vorteile, die eine aktive Beschäftigung mit der Fotografie mit sich bringt. ... Sie werden feststellen, dass die Essays einer inhärenten Struktur folgen, vom Leichten zum Schweren, vom Selbst zum Anderen, vom Blick nach innen zum Engagement mit der Außenwelt.
Man kann das Buch linear lesen oder einzelne Essays herauspicken, die einen besonders ansprechen. Ich habe mich dafür entschieden, Ulrichs vorgegebener Struktur zu folgen - und habe es nicht bereut. Der größte Gewinn liegt für mich darin, nach jedem Essay innezuhalten und die Gedanken auf die eigene Fotografie zu übertragen.
Der französischen Fotografin Bettina Rheims (*1952) wird das folgende Zitat zugeschrieben:
Fotografie ist mehr als auf den Auslöser zu drücken.
Genau diese Philosophie durchzieht Ulrichs Buch. Es geht nicht nur um die Beherrschung der Kamera, sondern darum, die eigene Haltung zur Fotografie zu klären. Ulrich fordert dazu auf, sich bewusst mit den Motiven und der Intention hinter jedem Bild auseinanderzusetzen.
Bereits in der Einleitung stellt er sieben Prinzipien des Arbeitens mit der Kamera vor - wertvolle Wegweiser, die uns helfen, die eigene Bildsprache zu entwickeln.
Jedes der 55 Essays wird von einem Bild begleitet, das den Text visuell ergänzt - sei es als wörtlicher Ausdruck des Inhalts, als Metapher oder zur Verstärkung des ausgeführten Gedankens. Die Titel der Essays machen neugierig. Ein paar Beispiele:
- Bilder handeln nicht von Bildern
- Mit dem Körper sehen
- Die Pommes bleiben
- Finden Sie Ihr Mojo
- Musik der Sphären
- Strahlen wie ein Künstler
- Schärfe ist ein bürgerliches Konzept
Was sich wohl dahinter verbirgt?
Immer verwebt Ulrich in diesen Texten persönlichen Erfahrungen, philosophische Überlegungen und künstlerische Einsichten. Seine Begegnungen mit dem US-amerikanischen Fotografen und Lehrer Minor White, den er als sein Mentor beschreibt, haben sein Werk nachhaltig geprägt. White gilt als "intellektueller und spiritueller Guru einer Fotografengeneration". Dieser Einfluss wird in Ulrichs Essays spürbar.
Ich bin der festen Überzeugung, dass jede Kunstform, ja, jede Tätigkeit, wenn sie mit Sorgfalt und Achtsamkeit ausgeübt wird, zu einer inneren Praxis werden und so zu einem tieferen Bewusstsein und einem erfüllten Dasein führen kann.
Bewusster fotografieren ist kein Buch, das man nur einmal liest. Es ist ein Begleiter für den fotografischen und persönlichen Weg. Die Essays sind Inspiration, Denkanstoß und Einladung, die Fotografie in ihrer ganzen Tiefe zu erkunden. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen wird mit Sicherheit kreativer fotografieren und einzigartige Fotos erschaffen.
Bewusster fotografieren
Ein Wegweiser zu Achtsamkeit, Kreativität und persönlichem Ausdruck
David Ulrich
dpunkt-Verlag
206 Seiten
Hardcover, komplett in Farbe
ISBN: 978-3-86490-974-0
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Liebe Helga,
Danke für diese Buchbesprechung! Das klingt sehr verlockend!!
Liebe Grüße
Ulrike
Ist es auch, liebe Ulrike! Ich mag die gedanklichen Anregungen sehr, die David Ulrich darin gibt.