Stille Post von Herlinde Koelbl

Ich erinnere mich noch, dass ich als Kind an Geburtstagen gerne "Stille Post" gespielt habe. Wir saßen im Kreis, ein Spieler hatte sich einen Satz ausgedacht und diesen seinem Nachbarn ins Ohr geflüstert. Der wiederum gab den Satz an seinen Nachbarn weiter. So ging es im Kreis herum. Zum Schluß nannte der letzte Spieler das, was er verstanden hatte. Das Gelächter war groß, denn meist hatte der letzte Satz mit dem ersten nicht mehr viel zu tun.

Das Spiel gibt es übrigens auch in anderen Ländern und heißt dort "Chinese whispers",  "téléphone arabe" oder "passaparola". Was als lustiges Kinderspiel daher kommt, ist auch bei Erwachsenen raue Wirklichkeit. Denn unsere Kommunikation funktioniert ganz genauso. Wir hören etwas und geben es so weiter, wie wir es verstanden haben. Kein Wunder, dass dies oft zu Missverständnissen führt.

Aus dem Spiel "Stille Post" hat die Fotografin Herlinde Koelbl ein Fotoprojekt erstellt und in einem Buch veröffentlicht. Sie brachte 28 ungleiche Paare zusammen. Es flüsterten Frauen, Männer und Kinder jeglichen Alters aus 16 Nationen. Auch Schauspielerin Sunnyi Melles, der Barman Charles Schumann oder die Moderatorin Amelie Fried hauchten einander Botschaften ins Ohr.

Herlinde Koelbl, Stille Post, foto.kunst.kultur
Auch wenn uns als Betrachtern der Inhalt verborgen bleibt: Die in den Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentierten Begegnungen offenbaren Vertrauen, das jegliche Sprachbarriere überwindet, kulturelle Unterschiede aufhebt und eine Kette des Verstehens bildet.

- so die Ankündigung des Sieveking-Verlags, in dem das Büchlein erschienen ist.

Herlinde Koelbl schreibt im Vorwort:

Beim Fotografieren war es für mich interessant, zu sehen, wie sich manchmal der Gesichtsausdruck veränderte, wenn sich die Menschen vom 'Zugeflüsterten' zum Zuflüsterer verwandelte."

So viel sei verraten: Der Anfangssatz lautet

Ein Mops kommt in die Küche

Viel Freude beim Anschauen der großartigen Schwarzweißfotos, die einen - so wie die Texte von Michael Krüger - zum Schmunzeln aber auch Nachdenken bringen.

Über Herlinde Koelbl

Herlinde Koelbl (geb. 1938 in Lindau) gehört für mich zu den interessantesten deutschen Fotokünstlern. Die gelernte Modedesignerin arbeitet erst sei 1976 als Fotografin. Seitdem sind ihre Bilder in renommieren Zeitschriften, wie z. B. in der New York Times oder im Stern erschienen, sie hat zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen erhalten, ihre Bilder in Ausstellungen präsentiert und einige sehr empfehlenswerte Bücher herausgegeben. Herlinde Koelbl arbeitet bevorzugt in Projekten.

Aufsehen erregte ihr Bildband “Das deutsche Wohnzimmer”, 1980 erschienen und ihr erster großer Erfolg. Es folgten Projekte u. a. “Männer” (1984), “Starke Frauen” (1996), “Jüdische Porträts” (1989) oder “Kleider machen Leute” (2012).

In “Starke Frauen” stellt sie Frauenpersönlichkeiten vor, die in doppelter Hinsicht stark sind: an Leibesfülle und auch in ihrer Kraft. Solche Projekte von Herlinde Koelbl beweisen nicht nur, dass die Fotografin außergewöhnliche Bilder macht. Sie zeigen auch, dass die Menschen Vertrauen zu ihr haben. Es ist sicher alles andere als leicht, füllige Frauen zu Aktfotos zu bewegen. Das gelingt nur einer charismatischen Frau wie Herlinde Koelbl.

Ihr umfangreichstes Projekt ist eine Langzeitstudie, in der sie der Frage nachgeht, ob Macht den Menschen verändert. Jährlich fotografierte sie Politiker, z. B. Angela Merkel, Joschka Fischer oder Gerhard Schröder.

2012 fotografierte sie für ihr Projekt "Orchesterbilder" die Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks während einer Japantournee. Die Bilder zeigen die Leidenschaft der Musiker, aber auch die Disziplin und Anstrengung, die es kostet, uns Zuhörer mit wunderbarer Musik zu fesseln.

Ein gutes Foto ist immer mehr als eine Abbildung, im besten Fall erzählt es eine Geschichte oder deutet sie zumindest an.

sagte Herlinde Koelbl einmal. Ihr gelingt dies großartig! Auch in "Stille Post".

Stille Post

Herlinde Koelbl
Sieveking Verlag
68 Seiten
ISBN: 9783944874678

Herlinde Koelbl, Stille Post, foto.kunst.kultur
Stille Post | erstellt am: 12.04.18 | überarbeitet am: 20.06.24

Über mich, Helga Partikel

Ich bin Fotografin aus Leidenschaft und habe mich ganz der kreativen Fotografie und der Fotokunst verschrieben. Gerne gebe ich meine Begeisterung und mein Wissen in Fotokursen und auf Fotoreisen weiter. Lass dich von mir anstecken!

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Das sagen Teilnehmer zu meinen Kursen

Ja, deine Kurse machen süchtig

Es hat mir viel Freude gemacht, in diesem Kurs an die Fotografie mit ganz anderen Ideen heranzugehen. Sehr neugierig war ich, und meine Erwartungen wurden wirklich voll erfüllt. Wabi-Sabi ist schon ein künstlerisches Feld, das mich herausfordert auf positive Weise.
Ich werde weitermachen und hoffe meinen Blick auf die Dinge weiter zu sensibilisieren. In diesen zwei Wochen der "Hausaufgabenerarbeitung" bin ich mit großer Freude losgezogen um Bildmaterial zu sammeln. Ja, deine Kurse machen süchtig und dieser war sicher nicht mein letzter!

Herzlichen Dank für die Fülle an Informationen.

Martina

Juhu geschafft :-) - ich freu mich

Ich kann die Meisterklasse nur wärmstens empfehlen, um mal über den eigenen fotografischen Tellerrand hinauszuschauen. Die individuelle Betreuung von Helga mit vielen Tipps sind echt super.
Ob mit kleinen Clips, in denen Theorie anschaulich erklärt wird oder sehr verständlich geschriebenen Scripten, in den Klassentreffen oder direkt per Mail mit Helga.
Freue mich schon auf die nächsten Herausforderungen!

Gabi

Meine fotografische Zeitenwende

Meine fotografische Zeitenwende... es gibt ganz klar ein Davor und Danach in meinen Fotos. Ich habe nicht nur wahnsinnig viel gelernt in diesem Jahr, sondern diese wertvolle Zeit veranlasste mich auch meine fotografischen Anliegen zu erforschen und auszuprobieren. Es war also auch fotografische Selbstfindung dabei. Aus heutiger Sicht: unverzichtbar.

Eva
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