Foto oben: Félix Nadar (1820-1910) Porträt der Schauspielerin Sarah Bernhardt Nadar [Public domain], via Wikimedia Commons
Von Bildern lernen. Eine kleine Übung für bessere Fotos
Die Teilnehmer meiner Fotokurse wissen es längst: Ich habe eine Schwäche für Fotokunst. Man gebe mir ein Buch von oder über einen Fotokünstler in die Hand, und die Welt ist für mich stundenlang in Ordnung.
Man lernt so viel beim genauen Betrachten guter Fotos. Nur: Woher weiß ein Einsteiger, was gut ist?
Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.
Diesen Ausspruch prägte einst der französische Fotograf Henri Cartier-Bresson (1908-2004), der König der Streetphotography.
Mein Tipp: Befolge dem im Zitat versteckten Rat und schaue dir Bilder länger als eine Sekunde an. Halte dich an die großen Fotokünstler. Gehe in Ausstellungen, besorge dir entsprechende Bücher oder surfe im Internet - und vertiefe dich in die Bilder.
Ja, es ist wichtig, dass du dir Bilder in Ruhe ganz genau anschaust. Beantworte ein paar Fragen zu den Fotos, damit du für deine eigene Arbeit profitieren kannst. Du musst nicht unbedingt bei jedem Bild eine umfangreiche Analyse niederschreiben. Aber ein paar wichtige Fragen zum Bild solltest du dir schon stellen.
Damit du aus dem Betrachten von Fotokunst einen möglichst hohen Gewinn für deine eigene Arbeit ziehst, machen wir eine kleine Übung in drei Teilen:
- Analysiere ein fremdes Foto
- Analysiere ein eigenes Foto
- Ziehe Vergleiche
1. Analysiere ein fremdes Foto
Suche dir zunächst ein Bild heraus, das dich besonders anspricht und schaue es dir genau an. Am besten du nimmst ein Bild aus dem Genre, das auch du gerne fotografierst. Wenn du also gerne Landschaften fotografierst, nimm eine eine Landschaftsaufnahme. Bist du ein Architekturfotograf, suche dir ein Bild von einem Gebäude. Dann legst du los:
a) Lasse das Bild auf dich wirken - Bildbetrachtung
Nimm dir ausreichend Zeit, das Bild zu betrachten. Ich weiß: Es erfordert Geduld, einfach nur still dazusitzen und sich ein Bild anzusehen. Meist werfen wir einen kurzen Blick auf ein Bild und blättern weiter. Du machst das heute einmal anders, denn du willst ja etwas lernen.
Wenn du dich satt gesehen haben (im positiven Sinne), beantwortest du folgende Fragen:
b) Was ist abgebildet? - Bildbeschreibung
- Was genau ist auf dem Bild dargestellt?
- Kann man es einem bestimmten Genre zuordnen?
- Was sagt das Bild aus? Erzählt das Foto eine Geschichte?
- Was spricht dich besonders an?
- Was ist das Hauptmotiv?
Nun kommt der nächste Schritt. Beantworte Fragen zur Bildkomposition. Wie hat der Fotograf sein Motiv umgesetzt?
b) Wie ist es abgebildet? - Bildkomposition
- Wie ist das Bildformat (Hoch-, Querformat, Quadrat)? Wurde es beschnitten?
- Wie ist der Bildausschnitt? Werden Bildelemente angeschnitten oder wird alles komplett gezeigt?
- Wie ist der Bildaufbau? Gibt es einen eindeutigen Vorher- und Hintergrund?
- Wo sind wichtige Bildelemente platziert?
- Gibt es markante Linien, Flächen oder Muster?
- Gibt es dominante Formen?
- In welchem Licht wurde das Bild aufgenommen? Kann man erkennen, wo sich die Lichtquellen befanden?
- Gibt es markante Schatten?
- Mit welcher Perspektive wurde das Bild aufgenommen?
- Gibt es Bewegung im Bild? Wie ist sie dargestellt?
- Gibt es eine räumliche Tiefe und durch welche Mittel ist sie dargestellt?
- Bei Farbbildern: Gib es dominante Farben oder Farbkontraste?
Vielleicht sind dir schon bei der o. g. Übungen Ideen gekommen, die du künftig bei der eigenen Arbeit umsetzen kannst. Wir wollen aber tiefer gehen:
2. Analysiere ein eigenes Foto
Nimm nun eines deiner Fotos (am besten aus dem gleichen Genre) und mache dieselbe kleine Bildanalyse. Stelle zunächst keine Vergleiche mit dem Foto des anderen Fotografen an. Gehe einfach die einzelnen Fragen aus dem ersten Schritt mit deinem Foto durch.
Geschafft? Dann vergleiche zu guter Letzt dein Foto mit dem des anderen Fotografen.
3. Ziehe Vergleiche
- Wo ist der Unterschied?
- Was hättest du anderes machen können?
- Woran solltest du zukünftig denken?
- Hattest du bei der Aufnahme eine Bildidee im Kopf oder hast du dich einfach von einem schönen Motiv zum Drücken des Auslösers verleiten lassen?
Wenn du kannst, fotografiere dein Motiv erneut und vergleiche deine beiden Aufnahmen? Was hat sich geändert?
Lasse dich von den Werken großer Fotokünstler inspirieren und motivieren. Es geht absolut nicht darum, „abzukupfern“. Lerne von den Erkenntnissen, die du beim Betrachten von Fotokunst gewonnen hast und lasse sie in deine Arbeit einfließen.
Von Bildern lernen
Es ist schon seltsam: Jeder Hobbymaler kennt die großen Meister der Malerei: Rembrandt, Picasso, Chagall, … Aber frage mal 100 Hobbyfotografen, wie vielen von ihnen die Namen Adams, Sudek oder Weston etwas sagen. Eigentlich erschütternd!
In meinen Fotokursen und auf den Fotoreisen stelle ich häufig Fotokünstler vor. Und immer wieder sind die Teilnehmer erstaunt, wie ausdrucksstark Fotos sein können und welche Geschichten ein einziges Bild erzählen kann.
Für das eigene Fortkommen ist es so wichtig, sich mit Fotokunst zu beschäftigen. Denn: Wenn ich gar nicht weiß, wohin die Reise gehen könnte, wie soll ich mich dann in meiner Arbeitsweise weiter entwickeln? Wer kein Ziel hat, tritt auf der Stelle.
Die Werke von großen Fotokünstlern sind eine Quelle der Inspiration. Nutze sie!
Welche Fotokünstler inspirieren dich?
Hast du Fotokünstler, die dich ganz besonders inspirieren? Dann schreib doch einen Kommentar zu diesem Beitrag. Darüber würde ich mich sehr freuen.
Finde deine Bildsprache
Bring deine Kreativität in Schwung, setze deine Ideen kreativ um und finde deine Bildsprache. Ein Premium-Kurs der Extraklasse mit vielen Videos.