Was genau sind Fotoprojekte?
In meinen Fotokursen und auch in meiner eigenen fotografischen Arbeit spielen Fotoprojekte die Hauptrolle. Sie sind für mich die Königsdisziplin, das i-Tüpfelchen der kreativen Fotografie.
Was aber ist ein Fotoprojekt? Ist nicht jedes Bild, über das ich mir Gedanken mache, ein Projekt?
Konzeptuelle Fotografie
Ich kenne eine Fotokünstlerin, die plant jedes Bild im voraus. Minutiös. Bis ins kleinste Detail, mit einem umfangreichen Konzept. Sie schreibt auf, wie die Location auszusehen hat, die Requisiten, die Modelle, die Farben, ... bis hin zur Lichtsetzung. Die Notizen für ein einziges Bild füllen ein ganzes Notizbuch. Sie ist Meisterin der sog. Konzeptuellen Fotografie, also der Fotografie, bei der die Idee im Mittelpunkt steht. Man beginnt mit einer Idee, erstellt ein Konzept und baut danach das Foto auf.
Fotogruppen
Keine Frage: Ein einzelnes, konzeptuelles Foto ist ein Projekt. Im Allgemeinen wird aber von einem Fotoprojekt gesprochen, wenn mehrere zusammengestellt werden, die einem gemeinsamen Thema folgen. Möglichkeiten gibt es viele. Unterschieden wird meist zwischen dem zeitlichen Aspekt, dem Umfang und der Art des Projekts.
Zeitliche Unterscheidung
Kurzzeit- oder Miniprojekt
Ein Projekt, das du an einem einzigen Tag oder an einem Wochenende erstellst, nennt man Kurzzeit- bzw. Miniprojekt. Du könntest dir z. B. ein Gebäude oder einen Platz in deiner Heimatstadt aussuchen und davon eine kleine Bilderserie aufnehmen. Oder du besuchst eine Veranstaltung und hältst sie in einer Reportage fest. Alleine durch die Dauer ist mehr oder weniger festgelegt, dass ein solches Projekt nicht Hunderte von Fotos enthält. Ausnahmen wird es geben, aber wer macht schon Dutzende perfekte Bilder an einem Wochenende?
Langzeitprojekt
Wie schon der Name sagt: Ein Langzeitprojekt ist nicht in ein paar Tagen erstellt. Es können mehrere Wochen, Monate oder sogar Jahre vergehen, bis ein solches Projekt abgeschlossen ist. Meist startest du mit der Erstellung eines Konzepts. Wie genau du vorgehst, hängt natürlich vom Thema ab.
Ein Beispiel
Ein Beispiel soll dir zeigen, wie Schritt für Schritt ein Langzeitprojekt entsteht.
Vor vielen Jahren habe ich ein Buch über Jurahäuser im Altmühltal veröffentlicht. Es wurde im Münchener Volk-Verlag unter dem Titel "Jurahaus. Stille Schönheit im Altmühltal" herausgegeben. So bin ich beim Erstellen vorgegangen:
Nach der Entscheidung, dass ich mich an das Buch wage, habe ich recherchiert: im Internet, in Büchern und vor Ort. Ich habe viel zum Thema gelesen und auch mit einige Gespräche mit Experten geführt. Viele Fragen galt es zu klären, z. B.:
- Was sind die besonderen Merkmale der Häuser?
- Welche Haustypen gibt es?
- Wo stehen die Häuser?
Danach war es Zeit für die Erstellung eines Konzepts.
- Was kann/soll/muss ins Buch?
- In welcher Reihenfolge?
Versehen mit dieser Arbeitsunterlage habe ich unzählige Ausflüge ins Altmühltal unternommen. Ich habe fotografiert, Interviews geführt und immer wieder an meinem Konzept gefeilt.
Schließlich habe ich die Bilder ausgewählt und bearbeitet, Texte geschrieben, das Layout festgelegt, das Buch mit InDesign erstellt, die Finanzierung geklärt, einen Verlag gesucht ...
Entstanden ist ein Buch mit 320 Seiten und über 300 Fotos. Nach zwei Jahren war es so weit. Bei einer festlichen Buchpräsentation im Altmühlzentrum Dollnstein wurde mein Buch vorgestellt. Ein unvergessenes Erlebnis! Zum Buch
Welche Möglichkeiten für Bildgruppen gibt es?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Bilder in Gruppen zu präsentieren – vom „kleinen“ Diptychon mit nur zwei Bildern bis hin zur umfangreichen Dokumentation.
Diptychon: zwei Fotos bilden ein Paar
Zwei Fotos, meist nebeneinander gestellt, bilden ein Diptychon. Achtung! Es sind immer zwei Bilder. Es reicht nicht aus, einfach ein Bild in zwei Teile zu schneiden. Die Fotos bilden ein Paar und sind auch als solches zu beurteilen. Oft stellt man Gegensätze dar (Sommer/ Winter, groß/klein) oder man zeigt unterschiedliche Perspektiven zum selben Thema.
Triptychon: drei Bilder - eine Aussage
Das Triptychon besteht aus drei Bildern, die ein Thema näher beleuchten. Auch hier ist es nicht ausreichend, einfach ein Bild in drei Teile zu schneiden. Es müssen schon drei verschiedene Bilder sein, die zusammengestellt werden.
Meist werden die Bilder nebeneinander gestellt und von links nach rechts „gelesen“. Aber auch Triptychen mit untereinander gestellten Bildern sind möglich. Der mittlere Teil ist oft breiter als die Seitenteile, man kann aber auch alle drei Teile gleich groß darstellen. Häufig nehmen die Seitenteile ein Thema aus dem Mittelteil heraus und beleuchten es näher.
Serie: fotografisch sammeln
Sammelst du gerne? Ich meine nicht Briefmarken! Ich rede vom fotografischen Sammeln. Darunter versteht man das Sammeln von Fotos zu einem bestimmten Thema. Du kannst Fotos von Regenschirmen, Türmen oder Fahrrädern sammeln. Oder von eckigen, runden, roten oder grünen Objekten. Oder ...
Eine solche Sammlung findet nie ein Ende – es sei denn, du verlierst die Lust daran.
Natürlich sollte die Qualität der Fotos nicht unter der Masse leiden. Vielleicht legst du dich von vornherein auf ein Format fest? Also z. B. Bilder von Gießkannen im Hochformat. Oder runde Objekte im Quadrat. Bei der Ausgabe der Serie wirst du feststellen, dass sie besser wirkt, wenn die Bilder formale Gemeinsamkeiten haben.
Sequenz: Geschichten erzählen
In einer Sequenz erzählst du Fotogeschichten. Du kannst beliebig viele Fotos nehmen – allerdings gilt auch hier: Weniger ist mehr. Schließlich willst du keinen Roman, sondern nur eine kleine Geschichte erzählen. Geschichten finden sich überall. Solltest du nicht fündig werden, kannst du auch welche konstruieren. Spiele z. B. mit Objekten und erzähle so deine Geschichte. Oder gehe mit der Kamera nach draußen und suche auf der Straße nach Geschichten.
Dokumentation: Fakten aufzeigen
Eine Dokumentation beleuchtet ein Objekt näher und versucht dabei, möglichst objektiv zu sein. Ein sachlicher Fotobericht, der einen Ort oder einen Sachverhalt schildert – ohne Wertung (soweit dies möglich ist)
Vor allem bei umfangreichen Dokumentationen ist ein ausführliches Konzept die halbe Miete. Du wirst sehen, wie viel einfacher die Fotoarbeit und das Zusammenstellen der Bilder ist, wenn du nach einem Konzept vorgehst.
Reportage: von einem Ereignis berichten
Eine Reportage erzählt von einem Ereignis, zeigt einen Handlungsablauf, eine zeitlich zusammenhängende Geschichte. Du kannst z. B. von einer Veranstaltung berichten oder vom traditionellen Weihnachtsfest deiner Familie. Nahezu jedes Ereignis bietet Stoff für
eine Fotoreportage.
Du beschreibst den Ort, die Menschen, die Geschehnisse und die Atmosphäre. Der Betrachter deiner Fotos soll das Gefühl bekommen, dabei gewesen zu sein, er soll sich mitten im Geschehen fühlen.
Bild aus meiner Reportage "Tango auf der Insel".
Interpretation: eine Vorlage, z. B. Musik, Text ... in Bilder umsetzen
Zunächst suchst du dir ein Musikstück, ein Gedicht, eine Schlagzeile in der Zeitung oder eine andere Vorlage aus. Dann fotografierst du passende Motive und stellst sie schließlich in einem Projekt zusammen.
Theoretisch könntest du auch umgekehrt vorgehen: Du kramst in deinem Fotoarchiv nach gelungenen Fotos und suchst dann einen Text, der dazu passt. Leider geht dies selten gut und artet meist in eine lästige Sucherei aus.
Bild "... und ich weinte mit ihr" aus meinem Projekt "Reigen der Natur" nach einem Gedicht von Simon Yussuf Assaf. Zum Projekt
Essay: deine Sicht zeigen
Ein Fotoessay zeigt die persönliche Sicht auf eine Sache oder ein Ereignis. Subjektivität ist angesagt. Ein Essay soll vor allem eines sein: sehr persönlich.
Wie stellt man Bildgruppen zusammen?
Analog
Das gute alte Fotoalbum hat längst nicht ausgedient. Wenn du lieber analog arbeitest, druckst du deine Fotos aus und klebst sie in ein Buch. Das kann auch ein kleines Büchlein sein, in dem du ein Miniprojekt vorstellst. Oder du klebst alle Bilder auf eine Seite, erstellst also eine Collage.
Digital
Du bevorzugst die digitale Variante? Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, deine Bildgruppen zusammenzustellen und zu präsentieren:
Für große Projekte geeignet ist das Fotobuch. Du kannst es mit dem Buchmodul von Lightroom oder der Software eines Fotobuch-Anbieters erstellen.
Kleinere Projekte kannst du in einer Textverarbeitung (z. B. Word oder Pages), einer Präsentationssoftware (z. B. PowerPoint oder Keynote) oder einem Layoutprogramm (z. B. Canva oder InDesign) zusammenstellen.
Wie wäre es mit einer digitalen Präsentation, z. B. einer Diashow oder einem Video?
Achte darauf, dass die Präsentationsform deiner Zielgruppe entspricht. Deine Opa wird keine Freude an einem Video haben, wenn er nicht über die geeignete Technik zum Abspielen verfügt.
Mehr über Projekte und Fotogruppen
Du bist infiziert und willst mehr über das Zusammenstellen von Bildern wissen? Im Grunde dreht sich mein gesamtes Angebot an Kursen, eBooks und Blogbeiträgen um Fotogruppen. Zwei Angebot stechen aber hervor:
eBook foto.gruppen
Dieses eBook führt dich in die Bildgruppen ein – vom Erstellen eines Konzepts bis hin zu Tipps für die Präsentation. Du erfährst, welche Bildkombinationen möglich sind, und wie du beim Zusammenstellen, z. B. in Adobe Lightroom, vorgehst.
Mehr als ein Foto
Die „Königsdisziplin“ der kreativen Fotografie sind für mich Bildgruppen – vom Bildpaar bis hin zum umfangreichen Projekt. Dieses eBook zeigt dir, was du beim Zusammenstellen der Fotos beachten muss.
Meisterklasse kreative Fotografie
In der Meisterklasse dreht sich fast alles um Miniprojekte (aber nicht nur). Jedes der sechs Module endet mit einer Abschlussaufgabe, in der die Arbeiten zusammengestellt werden. Als Collage, in einem "Meisterklasse-Buch" oder einem digitalen Produkt. Nicht umsonst heißt das Motto der Meisterklasse: GIB DEINER FOTOGRAFIE FLÜGEL
Entdecke dein kreatives Potential
Ein Meilenstein in deiner Fotografie. Profitiere von gezielten Aufgaben, professionellem Feedback und einer starken Gemeinschaft. Gib deiner Fotografie Flügel.