„Die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder,
sondern macht sichtbar.”
Paul Klee (1879—1940)
Kennst du das auch? Du kommst aus dem Urlaub oder von einem Ausflug zurück, hast dutzende (oder hunderte?) Bilder aufgenommen - und nun? Du hast deine Fotos auf den Rechner geladen und stehst vor der Qual der Wahl.
- Welche Bilder behalten, welche löschen?
- Welche Fotos sind gut, welche schlecht?
- Was unterscheidet gute von schlechten Fotos?
Die Sichtung von Fotos ist gar nicht so einfach - vor allem, wenn man nicht nur nach "Gefällt mir" oder "Gefällt mir nicht" auswählen möchte.
In erster Linie kommt es darauf an, wozu du ein Bild aufgenommen hast. Dient es nur der Erinnerung an einen bestimmten Moment? Dann sind auch Fehler erlaubt. Hauptsache ist doch, das Foto versetzt dich in die Situation zurück, erweckt die Erinnerung. Anders bei Fotos, die mehr sind als bloßer Rückblick oder bei Bildern, die du veröffentlichen willst.
Der wichtigste Rat: Nimm dir Zeit für die Auswahl der Bilder. Mit den frischen Urlaubserinnerungen im Kopf wirst du dich weit schwerer tun als mit einem gewissen Abstand.
Meist sind für die Sichtung mehrere Durchgänge notwendig. Lösche zunächst die Bilder, die ganz eindeutig schlecht sind. Du weißt schon:
- unscharfe Fotos (es sei denn, die Unschärfe war gewollt),
- versehentlich aufgenommene Fotos (ich habe immer die Hand an der Kamera und dabei manches ungewollte Fotos vom Boden aufgenommen),
- völlig falsch belichtete Bilder (wenn selbst Lightroom & Co. nicht mehr helfen),
- ...
In den nächsten Durchgängen gehst du tiefer. Dabei werden dich die u. g. Fragen sicher unterstützen.
Natürlich kommt auch das berühmte Kriterium "gefällt mir" zum Zug. Ein Foto mag noch so perfekt sein: Wenn es dir nicht gefällt, und du es nicht brauchst, kommt es in den Papierkorb.
Schau dir dieses kurze Video aus dem Onlinekurs Kreativ fotografieren + Bildsprache finden an. Es enthält viele Tipps zum Sichten von Fotos an:
Unwichtige Fragen
- Mit welcher Kamera,
- mit welchem Objektiv,
- mit welcher Belichtung wurde das Foto gemacht?
Wichtige Fragen
Technische Qualität
- Ist das Bild scharf?
- Ist der Schärfepunkt richtig gesetzt?
- Passt die Belichtung? Wie sieht das Histogramm aus?
- Passt der Weißabgleich?
- Ist das Bild rauschfrei?
- Gibt es Abbildungsfehler? Chromatische Aberration, Verzeichnung …
- Passt die Größe? Oder ist das Bild nur noch eine Briefmarke?
Motiv/Idee
- Wie ist der erste Eindruck?
- Wie wirkt das Bild auf mich?
- Was ist wichtig, was ist unwichtig?
- Ist das Bild innovativ/originell oder sieht man Altbekanntes?
- Wird man sich auch nach längerer Zeit noch an das Bild erinnern?
- Gibt es ein besseres Bild als Alternative?
- Ist das Motiv vertretbar?
- Ist dein Motiv spannend umgesetzt?
Bildaussage
- Was ist die Bildaussage?
- Gibt es einen eindeutigen König?
- Ist die Aussage dem Betrachter sofort verständlich?
- Ist dein Foto klar und nicht reizüberflutet?
- Ist das Bild stimmig bzgl. der Aussage oder bestehen Widersprüche?
- Kommuniziert die Bildaussage die Botschaft, die du mitteilen willst?
Bildelemente
- Gibt es störende Elemente?
- Stört etwas im Hintergrund?
- Sind Füße, Hände oder andere Elemente ungewollt abgeschnitten?
- Sind ungewollte Schatten im Bild?
- Porträts: Sind die Augen scharf?
- Stimmt die Ausrichtung des Horizontes?
- Welche Beziehungen bestehen zwischen den Bildelementen?
Komposition
- Entspricht das Bild den formalen Regeln der Bildgestaltung? Wenn nicht: warum?
- Wird der Blick ins Bild geführt oder aus dem Bild heraus?
- Passt die Platzierung der Bildelemente zur Bildaussage?
- Gibt es einen besseren Bildausschnitt als Alternative?
- Passt das gewählte Format (Hoch-/Querformat, Quadrat)?
- Ist das Bild gerade ausgerichtet?
- Gibt es störende stürzende Linien?
- Wo sind Linien und Punkte?
- Passen Farben, Kontrast und Tonwerte?
- Was passt besser zu dem Bild: Farbe oder schwarz/weiß?
- Wo ist Licht, wo Schatten? Ist das Licht richtig gesetzt?
- Gibt es Räumlichkeit oder Bewegung?
- Gibt es einen Rhythmus oder Symmetrie?
Zielgruppe/Medium
- Passt das Bild zur Zielgruppe, für die es bestimmt ist?
- Passt das Bild zum Medium, für das es bestimmt ist?
- Passt das Bild in das Projekt, für das es vorgesehen ist?
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Vielen Dank, liebe Helga, für diesen neuen und sehr nützlichen Beitrag.
Nachdem ich an zahlreichen Workshops teilgenommen und mehrere Bücher gelesen habe, fühle ich mich immer noch nicht 100% sicher, wenn es an der Zeit ist, meine Bilder vor dem Computer auszuwählen.
Die Information, die du uns präsentierst, ist systematisch und eine große Hilfe für die immer schwierige Aufgabe, auszuwählen, welche Fotos Potenzial haben und welche nicht.
Nochmals vielen Dank, dass du dein Wissen mit uns teilst.
Grüße aus Straubing!
Die Auswahl der Bilder ist nicht einfach, da stimme ich dir völlig zu, lieber Claudio. Schön, dass dir mein Beitrag dabei hilft. Herzlichen Dank für deinen Kommentar!
Liebe Helga,
danke für deine Beiträge. Ich freue mich immer auf den Newsletter.
Grundsätzlich lösche ich keine Bilder mehr. Speicherplatz zumindest auf externen Festplatten ist so billig, dass dieser Schritt nur unnötige Arbeit verursacht. Das hält mich nicht davon ab, die Bilder zu beurteilen.
Oft ist es aber auch so, dass ich erst bei einem zweiten oder dritten Durchgang, manchmal sogar Monate später etwas entdecke, das mich interessiert oder das ich gebrauchen kann. Gerade in einer freieren, künstlerisch orientierten Fotografie ist nichts, was es ist.
Genauso wie ich versuche, meine Bilder mit einem kritischen Blick zu beäugen, nehme ich mich auch als Kritiker kritisch unter die Lupe. Wenn ich Worte brauche, um das Bild zu beschreiben oder die Umstände, wie es zustande kam („ich schwör‘s, ich hab‘ sechs Stunden auf das richtige Licht gewartet…‘“), ist das Bild meistens:
nüscht.
Liebe Grüße
Till
Dem kann ich nur zustimmen, lieber Till. Ich nenne Bilder, bei denen man die Umstände der Aufnahme beschreiben muss, „Entschuldigungsbilder“. Ein solches Foto gehört gleich in den Papierkorb oder in den Ordner „Erinnerungen“ (da darf alles rein, was mich an etwas erinnert. Auch wenn’s Foto schlecht ist). 🙂
Liebe Grüße zurück
Helga