So mancher Teilnehmer meiner Kurse klagt über unscharfe Fotos. Sicher ist dir das auch schon passiert: Du kommst von einer Fototour heim, freust dich auf deine Bilder und stellst fest, dass einige davon unscharf sind. Auf der Kamera waren sie doch perfekt?
Am Display ist die Unschärfe oft nicht zu erkennen, das böse Erwachen kommt erst zuhause beim Betrachten der Aufnahmen auf dem Computer. Das kann ziemlich frustrierend sein, vor allem wenn man auf Reisen ist und weiß, dass man an diesen Ort nicht so schnell wieder zurückkehren wird.
Woran liegt das? Die erste Frage, die sich Anfänger stellen: Was habe ich falsch gemacht? Bei (Semi)Profis lautet die erste Frage hingegen: Ist meine Kamera defekt? Gefolgt von: Soll ich mir eine bessere zulegen?
Unscharfe Fotos können viele Gründe haben. Die Kamera selbst ist in den meisten Fällen unschuldig. Daran könnte es liegen:
Stativ oder aus der Hand?
Jaaa, ich weiß: Ein Stativ kann lästig sein. Immer diese Schlepperei. Manchmal ist es aber zwingend notwendig, z. B. bei Nachtaufnahmen oder Langzeitbelichtungen.
Auch ich pflege eine Hassliebe zu meinen Stativen. Schleppen mag ich auch nicht. Aber ich liebe das bewusste Komponieren eines Bildes mit einem Stativ. Bei Fotos aus der Hand drückt man viel schneller auf den Auslöser oder merkt gar nicht, dass man beim Auslösen die Kamera ein wenig versetzt. Ich hasse es, wenn ich zu faul zum Tragen war und zuhause feststellen muss, dass so manches Foto mit Stativ eindeutig besser gelungen wäre.
Unschärfe beim Auslösen
Wenn du 100% sicher sein willst, dass deine Fotos scharf sind, dann musst du
- Ein Stativ verwenden.
- Einen Fernauslöser einsetzen. Der Druck auf den Auslöser kann bereits zu Verwacklungen und somit zu unscharfen Fotos führen.
- Bei Spiegelreflexkameras die Spiegelvorauslösung einschalten. Damit wird beim ersten Druck auf den Auslöser der Spiegel hoch geklappt. Erst beim zweiten Druck auf den Auslöser wird das Foto aufgenommen. Warum? Das Hochklappen des Spiegels kann zu geringfügigen Verwacklungen führen.
Es bewegt sich zu viel
Für knackscharfe Fotos müssen Fotograf, Kamera und Motiv absolut still stehen. Wenn du mit einer sehr kurzen Belichtungszeit arbeitest, werden kleine, langsame Bewegungen kaum eine Rolle spielen. Oft merkt man gar nicht, dass man beim Auslösen nicht still steht. Ein winziges Versetzen der Kamera kann bereits zu unscharfen Bildern führen. Meine Tipps:
- Sorge für einen festen Stand. Wenn du auf einem Bein balancierst, musst du dich über Verwacklungen nicht wundern.
- Konzentriere dich beim Auslösen! Atme ein, bevor du den Auslöser drückst und halte die Luft an, bis die Aufnahme im Kasten ist.
- Fotografierst du Pflanzen in der Natur, suche dir einen möglichst windstillen Tag. Stelle dich so vor die Pflanze, dass sie windgeschützt ist oder nimm dir einen Windschutz auf die Fototour mit. Vielleicht kannst du die Pflanze fixieren? Wenn alles nichts hilft, mache kreative Aufnahmen von Pflanzen in Bewegung.
Belichtungszeit zu lang - kein Stativ
Wenn du dein Bild mit einer Belichtungszeit länger als 1/60 Sekunde aufgenommen hast, wird es wahrscheinlich unscharf sein. Es sei denn, du hast ein Stativ verwendet.
Allerdings nützt das beste Stativ nichts, wenn du Menschen oder Tiere fotografierst. Schon erstaunlich, dass wir nicht einmal eine Sekunde still halten können, oder? Der Ausweg kann in diesem Fall nur sein: Verwende eine kürzere Belichtungszeit! Damit dies möglich ist, brauchst du bei gleicher Lichtsituation eine offenere Blende oder eine höhere ISO-Einstellung. Alternativ kannst du auch mit einer externen Lichtquelle, z. B. einem leichten Aufhellblitz, arbeiten.
Zu lange Brennweite - kein Stativ
Mit einem massiven, großen Objektiv kann man eine Kamera nur schwer ruhig halten. Eine Faustregel besagt:
Die Belichtungszeit für Fotos aus der Hand sollte max. so lang wie der Kehrwert der Brennweite sein.
Also 1/140 Sekunde bei einer Brennweite von 140 mm.
Es kann einen Unterschied machen, ob du mit einer Brennweite von 100 mm oder 40 mm fotografierst. Bei Objektiven mit Innenzoom bleibt die Baulänge des Objektivs auch beim Wechsel der Brennweite gleich. Da spielt es keine Rolle, welche Brennweite du einstellst. Wenn du das Objektiv bei 100mm ruhig halten kannst, kannst du es auch bei 400mm. Anders bei Objektiven die beim Zoomen länger werden. Je weiter das Objektiv ausfährt, desto schwieriger wird es sein, die Kamera ruhig zu halten.
Zu große Blende
Wenn du ein lichtstarkes Objektiv einsetzt, kannst du mit offener Blende den Hintergrund unscharf gestalten. Ein wunderschöner Effekt, der das Hauptmotiv in den Fokus rückt. Soll das gesamte Foto scharf sein, bist du mit der Offenblende nicht gut beraten. In der guten alten Analogfotografie gab es einen Leitsatz:
Sonne lacht - nimm Blende 8.
Diese Blendenöffnung ist eine gute Wahl, wenn alles scharf sein soll. Makroobjektive oder der Einsatz von Zwischenringen folgen natürlich anderen Gesetzen.
Falscher Fokuspunkt
Hast du den Fokuspunkt richtig gesetzt? Bei Porträts sollten i. d. R. die Augen scharf sein. Prüfe vor dem Auslösen der Kamera, ob der Fokuspunkt auf den Augen liegt. Ich finde es am einfachsten, dazu das Messfeld zu bewegen.
Alternativ kannst du das Messfeld in die Mitte setzen. Du stellst scharf und änderst dann den Bildausschnitt. Der Nachteil dieser Methode: Du darfst die Kamera nur nach links oder rechts versetzen. Sobald du dich auf das Motiv zu oder von ihm weg bewegst, passt der Fokus nicht mehr. Vor allem bei Makroaufnahmen reichen da schon ein paar Millimeter.
Bildstabilisator
Ein Bildstabilisator ist eine feine Sache. Er gleicht kleine Verwacklungen aus. Das Problem dabei: Steht die Kamera still, versucht der Stabilisator, die nicht vorhandene Bewegung zu korrigieren. Die Folge: Das Bild ist verwackelt.
Daher solltest du den Bildstabilisator unbedingt ausschalten, wenn du ein Stativ verwendest.
Nachschärfen bei RAW-Fotos
Die meisten Kameras liefern leicht unscharfe Bilder. Das liegt an dem sog. Tiefpassfilter, der üblicherweise eingebaut ist. Er macht durchaus Sinn, denn ein solcher Filter vor dem Sensor verringert z. B. die Gefahr von Moiré, ein Effekt, der sich vor allem in wiederholenden Mustern und Details zeigt (beispielsweise in eng gestreifte Kleidungsstücken). Der Nachteil ist aber, dass dieser Filter eine leichte Unschärfe nach sich zieht. Die muss bei einem Raw-Bild ausgeglichen werden (= Eingangsschärfen).
Wenn du mit Lightroom arbeitest, werden RAW-Bilder automatisch beim Import geschärft. Du siehst das im Bedienfeld DETAILS (Modul ENTWICKELN). Der Betrag beim Regler SCHÄRFEN steht bei JPG-Fotos auf Null, bei RAW-Bilder z. B. auf 25.
Wenn dein Bildbearbeitungsprogramm das Eingangsschärfen nicht automatisch vornimmt, musst du selbst dafür sorgen.
Fotografierst du im JPG-Format, wird das RAW-Bild in der Kamera konvertiert und dabei u. a. geschärft. Ein Eingangsschärfen ist daher bei JPGs nicht notwenig.
Ein Tipp zum Schluss
Beurteile die Schärfe eines Fotos unbedingt in der 100%-Ansicht. Nur so kannst du feststellen, ob das Bild scharf ist bzw. wo der Schärfepunkt liegt.
Bewegung und Zeit einfangen
Ein Foto friert immer einen Moment ein. Dennoch gibt es einige Möglichkeiten, Bewegung und Zeit in einem Bild darzustellen. Dieser Onlinekurs beschäftigt sich u. a. mit der Belichtung, Blitzen und kreativen Effekten.
Hallo aus Costa Rica !
Obwohl ich seit 60 Jahren auch für die Presse fotografiere, ist es immer wieder interessant Deine Tips und Animationen zu lesen.
Ich fotografiere immer noch analog in allen Formaten und natürlich auch in digital. Durch die kontinuierliche Umstellung der Formate in Digital, habe ich zB von DX auf FF festgestellt, dass man wieder dazulernen muss, habe aber auch meine Bilder mit meiner ersten Digitalkamera Nikon DH1 verglichen und festgestellt, dass durch das Fehlen von Filtern die Aufnahmen sehr scharf waren. Das ist nun schon fast 3 Jahrzehnte her, aber doch interessant gewesen zu vergleichen.
Ich hatte dann unter Anderem mit Nikon D3 das erste Mal in FF fotografiert und war eigentlich am Anfang etwas enttäuscht von der Bildqualität, aber nachdem ich Deinen Beitrag über RAW Format gelesen habe überrascht, dass es an der Umstellung lag, ich hatte für die Reportagen oft nur mit JPG in der höchsten Auflösung gearbeitet und der Sprung zu RAW war gross.
Wir müssen uns alle weiterentwickeln, sonst läuft uns die Technik davon.
In der analogen Fotografie ist das anders, da beherrsche ich so gut wie alles, man lernt aber auch hier nicht aus.
Ich halte es für sehr wichtig, einen guten und leicht verständlichen Kurs in Lightroom zu machen, der doch viele Vorteile bringt, auch wenn man versucht ohne grosse Nachbearbeitung auszukommen. In der Presse Fotografie hat man
normalerweise nicht viel Zeit zum bearbeiten, man muss deshalb schon, wie auch bei der analogen Fotografie, bei der Aufnahme Fehler vermeiden.
Vielen Dank Dir für die guten Beiträge !
Wie schön, dass meine Beiträge sogar bis nach Costa Rica reichen. Herzlichen Dank für deinen Kommentar, lieber Leander. Es freut mich sehr, dass mein Betrag den Weg zu RAW geebnet hat. Viele Grüße aus München!
Liebe Helga,
Super , dass Du das alles zusammengestellt hast, was zu beachten ist. Ein ganze Menge!
Sehr hilfreich! Mir der Zeit finden dann hoffentlich immer mehr Aspekte Eingang in meine Aufnahmen.
Dankeschön für deinen Kommentar, liebe Ulrike. Es stimmt: Man muss viel beachten. 🙂
Ja! Dieses Problem kenne ich zu gut!
Da ich fast immer zu Fuss oder mit dem Rad unterwegs bin habe ich nie ein Stativ dabei! Das sehe ich dann oft genug zu Hause auf dem Bildschirm! Natürlich liegt es oft an der falschen Einstellung usw. Ich nutze alle Fehlerquellen, die es gibt! Aber es heisst ja: aus Fehlern lernt man! Ich arbeite dran! Danke für den Beitrag!
Danke, liebe Marianne. Aus Fehlern lernt man – zum Glück. Sonst wären Fehler nur ärgerlich. So hat man zumindest diesen Trost 🙂
Ausgezeichneter Beitrag!
Obwohl ich schon seit ein paar Jahren mit meiner Kamera unterwegs bin, ist es für mich sehr hilfreich, diese Grundlagen der Fotografie noch einmal zu lesen. Herzlichen Dank, Helga!
Herzlichen Dank für deinen Kommentar, lieber Claudio. Es freut mich sehr, dass dir der Beitrag hilft.