Jeden Tag werden Milliarden von Bildern im Netz gepostet. Eine verlässliche Statistik ist nicht zu finden, da sich die Zahlen ständig ändern. Laut einer Schätzung von Statista.com waren es 2013 rund 1,2 Milliarden Bilder pro Tag. Auf der Seite von Omnicore ist zu lesen, dass allein auf Instagram täglich rund 1,3 Billionen Bilder gepostet werden. Erschreckende Zahlen, oder?
Ebenso erschreckend finde ich die Qualität der meisten Bilder und deren Motive. Interessiert es uns wirklich, was fremde Menschen gerade frühstücken oder wie drollig ihr Kätzchen aussieht?
Offenbar ja, denn die Mehrheit der Social-Media-Nutzer scheint begeistert zu sein. Wie sonst ließe sich erklären, dass vor allem Bilder, die süß, laut oder schrill sind, die meisten Likes erhalten? Und natürlich auch solche, die durch Effekte auffallen.
Die Welt der Fotografie ist voller Trends, die kommen und gehen. Immer wieder tauchen neue Effekte auf, die begeistern, ausgiebig nachgeahmt - und nach ein paar Monaten wieder in der Versenkung verschwinden. Effekte faszinieren und wecken den Wunsch, sie auszuprobieren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch wie sinnvoll ist ihr Einsatz wirklich?
Fotografische Techniken, Effekte und Stilrichtungen
Zunächst möchte ich zwischen fotografischen Techniken, Effekten und Stilrichtungen unterscheiden:
Fotografische Techniken
Techniken sind Methoden, die bereits bei der Aufnahme auf dem bewussten Einsatz der fotografischen Mittel basieren - wie Licht, Schärfe, Bildaufbau oder Mehrfachbelichtungen.
Effekte
Effekte entstehen entweder direkt in der Kamera oder werden nachträglich in der Bildbearbeitung hinzugefügt. Sie sollen ein Bild "interessanter" machen oder einen bestimmten Stil erzeugen. Zwei Beispiele:
- HDR (High Dynamic Range)
HDR ermöglicht es, Details in den hellsten und dunkelsten Bereichen eines Bildes sichtbar zu machen. Richtig eingesetzt, entstehen beeindruckende Ergebnisse. Leider wirken viele HDR-Bilder übertrieben und künstlich. Hier zeigt sich: Die Kunst liegt in der richtigen Nachbearbeitung! - Color-Key
Dieser Effekt hebt in einem Schwarzweiß-Bild eine einzelne Farbe hervor, z. B. bleiben in einem Foto von einer Wiese ausschließlich die roten Blumen farbig. Color-Key lässt sich entweder in der Bildbearbeitung erzeugen oder - bei manchen Kameras - mit speziellen Motivprogrammen direkt bei der Aufnahme.
Stilrichtungen
Stilrichtungen oder fotografische Ansätze gehen über Techniken und Effekte hinaus und folgen einer übergeordneten ästhetischen oder philosophischen Idee. Beispiele sind:
- Gestische Fotografie
Hier wird die Kamera während der Aufnahme bewegt. Zwar basiert diese Stilrichtung auf einer Technik, doch ihr Ziel ist nicht ein bestimmter visueller Effekt, sondern die Vermittlung von Gefühlen oder Stimmungen, um die Bildaussage zu verstärken.
Mein Kurs "Malen mit der Kamera" enthält eine intensive Einführung in die gestische Fotografie und zeigt auch andere Möglichkeiten, mit der Kamera malerische Bilder aufzunehmen. - Wabi-Sabi
Wabi-Sabi ist mehr als ein visueller Effekt, es ist eine ästhetische Philosophie, die tief in der japanischen Kultur verwurzelt ist. Vereinfacht ausgedrückt, geht es bei Wabi-Sabi darum, auch in schlichten und unvollkommenen Dingen Schönheit zu entdecken. In einem Stein, einem Grashalm oder einem verrosteten Blech.
Auch zu Wabi-Sabi gibt es Kurse von mir - im Egglhof bei München oder online. Zu den Kursen - Minimalismus
Minimalistische Fotografie reduziert ein Bild auf das Wesentliche und verzichtet auf alles Überflüssige. Sie erfordert keine spezielle Technik, sondern setzt auf eine klare Komposition und eine bewusste Wahl des Motivs.
Stilrichtungen beruhen nicht auf technischer Manipulation oder visuellen Effekten. Sie drücken eine Haltung aus und folgen einem tiefen Konzept, das in den Bildern sichtbar wird.

Gestische Fotografie

Wabi-Sabi

Minimalismus
Sind Effekte sinnvoll?
Effekte sind nicht per se schlecht. Sie können ein wertvolles Werkzeug sein - wenn sie bewusst eingesetzt werden, um die Bildaussage zu unterstützen. Dabei darf der Effekt selbst jedoch nie Selbstzweck sein. Er sollte die Geschichte oder Aussage des Bildes unterstreichen, nicht davon ablenken.
Ich kann dich nur dazu ermutigen, Effekte auszuprobieren und sie so lange zu üben, bist du sie beherrscht. Setze sie dann gezielt ein. Aber Vorsicht: Effekte haben zwar ihren Reiz, verlieren aber schnell ihre Wirkung, wenn sie zu oft eingesetzt werden.
Ein starkes Foto bleibt im Gedächtnis, weil es eine Botschaft, eine Emotion oder eine einzigartige Perspektive vermittelt - nicht wegen eines spektakulären Effekts.
Frage dich daher beim Fotografieren:
- Unterstützt dieser Effekt meine Bildaussage?
- Passt er zu meiner fotografischen Vision?
Von der Vision zum Bild
Anstatt Bildern unseren gestalterischen "Stempel" aufzudrücken, sollten wir uns von den Motiven leiten lassen und uns fragen:
- Was möchte ich zeigen?
- Was ist mir wichtig?
Wenn du diese Fragen klar beantwortet hast, überlege, welche Mittel deine Vision unterstützen:
- Welche Stilrichtung passt dazu? Minimalismus, Wabi-Sabi, Gestische Fotografie?
- Welche Technik, welche Kameraeinstellungen helfen dir, das Motiv in Szene zu setzen?
- Ist ein Effekt sinnvoll, um die Bildaussage zu betonen?
Stellst du dir diese Fragen vor dem Drücken des Auslösers, werden deine Bilder genau das vermitteln, was dich als Fotograf ausmacht.
In diesem Sinne: Folge deiner Vision und erzähle deine Geschichte - mit allen Mitteln, die dich dabei unterstützen.
Danke für diesen Beitrag, liebe Helga.
Die Themen ‚Vision‘ und ‚Bildaussage‘ werden mich mein Leben lang heraus fordern. Ich drücke meistens ab, wenn ich denke, dass aus dem Motiv ein schönes Bild wird. Die Begabung für die ‚Geschichte‘ dazu fehlt mir leider.
Aber ich freue mich trotzdem immer wieder über Deine Tipps.
Liebe Grüße Frieda
Danke für deinen Kommentar, liebe Frieda. Bleib einfach dran. Wer viel übt, bekommt gute Ergebnisse – ob mit oder ohne Begabung.
Viele Grüße
Helga
Liebe Helga, Danke für diese tolle Zusammenfassung. Von der Vision zum Bild- das ist noch ein weiter Weg. Aber ich werde versuchen ihn zu lernen, das Nachdenken vor dem Fotografieren ist meine heurige selbsterlegte Aufgabe. Eine gute Herausforderung: „Zeit lassen, Nachdenken, Foto machen.“
Liebe Grüße Helga
Danke, liebe Namensvetterin. Mit der Meisterklasse bist du auf jeden Fall auf dem Weg zur Verwirklichen deiner Visionen! Ich freue mich, dass du dabei bist.
Liebe Grüße
Helga